Aus aktuellem Anlass möchte ich mich in diesem Artikel mit einem aufgerufenen Ladetarif an einer neu errichteten AC-Säule meiner Kommune beschäftigen. Es handelt sich dabei um eine 22kW Ladesäule, mit 2 Ladepunkten.

Betreiber ist die Stadt und der Stadtrat hat hierfür einen Tarif von 12 Cent je Minute beschlossen. Aktuell einziger Roamingpartner ist plugsurfing. Die errichtete Ladesäule wurde vom BMVi gefördert. Die 12 Cent seien laut Stadtrat notwendig, um einen kostendeckenden Betrieb zu ermöglichen.

Ist dieser Ladetarif eine faire Sache, zur Förderung der Elektromobilität, wie vom Stadtrat angekündigt?

Die Ladeleistung gängiger Elektroautos

Als erstes habe ich mir einmal die wichtigsten, sprich zulassungsstärksten Elektroautos vorgenommen. Welche Kosten fallen bei Anwendung des beschlossenen Ladetarifs von 12 Cent je Minute an.

FahrzeugtypLadeleistung ACLadeleistung DCKosten kWh bei AC Ladung
Renault ZOE22 kWnicht möglich32,7 Cent
VW E-Golf7,2 kW40 kW1 Euro
Smart fortwo4,6 kW, optional 22 kWnicht möglich1,56 Euro, opt. 32,7 Cent
BMW i33,7 kW, optional11kW50 kW1,95 Euro, opt. 65,5 Cent
Kia Soul6,6 kW50 kW1,09 Euro
Tesla Model S16,5 kW135 kW43,6 Cent
Nissan Leaf6,6 kW50 kW1,09 Euro
Smart forfour4,6 kW, optional 22 kWnicht möglich1,56 Euro opt. 32,7 Cent
Hyundai Ioniq6,6 kW70 kW1,09 Euro
VW UP3,6 kW40 kW2 Euro

Wie in der obigen Tabelle zu sehen, gibt es serienmäßig nur wenige Fahrzeuge, die in der Lage sind an einer 22 kW Ladesäule auch mit diesen 22 kW zu laden. Serienmäßig schafft das nur die Renault Zoe

Die Mehrzahl liegt zum Teil deutlich darunter. Hier zeigt sich dann auch, das eine Abrechnung nach Zeit zwar einfach, aber in keiner Weise gerecht ist.

Energiekosten für 100 km

Durch die unterschiedlichen Ladeleistungen, ergeben sich dann auch unterschiedliche Kosten, für den Elektroautofahrer. Die Bandbreite ist, wie oben zu sehen, da sehr breit.

Das Argument eines kostendeckenden Betriebs greift nicht, bei einer Abrechnung nach Zeit. Dies könnte allenfalls bei Abrechnung, wie ab März ohnehin vorgeschrieben, über die abgegebenen kWh erfolgen. Der Strombezug wird von der Kommune ja nicht nach Faktor Zeit an den Stromversorger bezahlt.

Um hier noch einmal das Argument „Förderung der Elektromobilität“ aufzugreifen, habe ich die Stromkosten für 100 km Fahrstrecke bei den o.a. Fahrzeugen ausgerechnet.

FahrzeugVerbrauch 100 km WLTPnotwendige LadedauerKosten
Renault Zoe16,8 kWh46 Minuten5,52 Euro
VW E-Golf15,8 kWh132 Minuten15,84 Euro
Smart fortwo12,9 kWh167 Minuten20,04 Euro
BMW i315,3 kWh246 Minuten29,52 Euro
Kia Soul14,3 kWh130 Minuten15,60 Euro
Tesla Model S18,6 kWh68 Minuten8,16 Euro
Nissan Leaf14,6 kWh133 Minuten15,96 Euro
Smart forfour13,1 kWh170 Minuten20,40 Euro
Hyundai Ioniq11,5 kWh104 Minuten12,48 Euro
VW UP11,7 kWh 195 Minuten23,40 Euro
Dargestellt sind die Stromosten für eine Fahrstrecke von 100 km

Bei den oben angenommenen Verbrauchswerten handelt es sich. wie angegeben, um WLTP-Werte. Diese sind bekanntermaßen sehr niedrig angesetzt und in der Praxis kaum zu erreichen.
Bei den Ladeleistungen habe ich die Werte eines serienmäßig ausgestatteten Fahrzeugs zugrunde gelegt.

Vergleicht man die ermittelten Kosten mit einem Diesel-PKW mit einem angenommen Verbrauch von 5 Litern und Kosten für den Diesel von 1,30 Euro, ergeben sich Treibstoffkosten von 6,50 Euro für 100 km.

Wie man sehen kann, ist allein die Renault ZOE konkurrenzfähig was die Energiekosten betrifft. Allerdings auch nur, wenn man die unfaire Abrechnungsmethode nach Zeit und die Kosten von 12 Cent/kWh rechnet.
Die Aufstellung soll auch nur verdeutlichen, dass es sich dabei um eine völlig realitätsferne Abrechnungsmethode handelt, die mit einer Förderung der Elektromobilität gar nichts gemein hat.

Für meinen Hyundai Ioniq fallen bei Ladung an der Steckdose in der heimatlichen Garage Kosten von 3,22 Euro für 100 km an.

Die unten angegebenen Kosten in kursiv sind nicht mehr aktuell. Ich lasse sie hier aber stehen, damit man einen Vergleich hat, wo die Entwicklung der Ladekosten hingeht.

Aktuell (2021) zahlt man an einer „normalen“ AC Ladesäule, also selbe Bauart wie die oben genannte, in der Stunde (11 kWh) rund 4,30 Euro.

Lade ich ihn aktuell an einer Schnellladestation, so zahle ich mit dem Einführungsangebot der Telekom ca. 20 Cent für 100 km. Bei einer Abrechnung über Maingau Energie bin ich bei Kosten von etwa 2,88 Euro. Egal ob AC oder DC Ladung. Gegebenenfalls kommt allerdings bei Maingau noch eine Standgebühr, falls ich länger als 120 Minuten lade.

Wenn man für die oben genannte Ladesäule berücksichtigt, dass in einer Entfernung von etwa 600 Metern noch eine weitere 22 kW Ladesäule steht, welche ich mit allen gängigen Roamingbetreibern (u.a. Telekom Ladestrom und Maingau) nutzen kann, ist diese Ladesäule der Stadt absolut unattraktiv. Wenn man das provokativ sieht, könnte man von einer Verschwendung von Fördermitteln sprechen.

Für wen ist diese Säule gedacht?

Tja, wer soll denn nun diese Säule nutzen. Man hat sich ja sicherlich Gedanken gemacht, im Stadtrat. Zumindest über die Kostendeckung und dass man etwas für die Elektromobilität machen will.

Die Renault Zoe Fahrer sind noch einigermaßen fair behandelt an dieser Ladesäule, allerdings nur, wenn sie nicht im Verzeichnis der Ladesäulen die benachbarte Säule finden, an der man deutlich günstiger Strom laden kann.

Man kann der Stadt jetzt noch zugute halten, dass vielleicht ein zukünftiger Roaming-Partner einen attraktiveren Preis auflegt. Aber davon ist momentan nichts zu sehen und meiner Meinung auch nicht zu erwarten.

Alle anderen Elektroautobesitzer werden höchstens einmal versehentlich an dieser Ladesäule halt machen. Oder im Notfall, wenn sich keine andere Alternative mehr ergibt. (Defekt einer Ladesäule, Ladesäule besetzt, dringender Strombedarf)

Selbst für das Laden während des Einkaufs oder während eines Restaurantbesuchs ist die Säule für die gebotene Leistung ja viel zu teuer.
Der Stadtrat war sich wohl, wie mir in einer E-Mail mitgeteilt wurde, darüber bewusst, dass „nicht alle Fahrzeuge über die gesamte Ladedauer die volle Leistung abrufen“. Entspricht jetzt nicht so ganz der Realität, eigentlich gar nicht.

Ich frage mich, wer hat denn diese Ladesäule verkauft und installiert? Hat man die Mitglieder des Stadtrats vor der Entscheidung denn nicht informiert. Sowas sollte doch, wenn nicht von Seiten des Verkäufers der Ladesäule, dann vielleicht von einem Sachverständigen erfolgen.
Warum gibt es an der Stelle, die die Fördermittel bewilligt niemanden, der sich über sowas Gedanken macht.
Man wird nach einem Jahr Bilanz ziehen und sagen: Die Ladesäule wird kaum genutzt und nicht angenommen. Es lohnt sich nicht weiter an einem Ausbau der Ladeinfrastruktur in unserem Stadtgebiet zu arbeiten.

Schade ums Geld!

Wie sieht das denn in anderen Gemeinden und Städten aus?
Ist da auch so wenig Wissen um Ladeleistung und Abrechnung vorhanden?
Falls dies hier kein Einzelfall sein sollte, dann kann man wirklich besorgt sein, da es offensichtlich keinerlei koordinierende Stelle gibt, die steuernd eingreift.