Unfall mit Tesla Autopilot

Unfall mit Tesla Autopilot

Ein leider tödlich verlaufender Unfall mit einem Tesla Model S hat sich in Texas/USA ereignet. Auch in Deutschland ging diese Nachricht durch sämtliche Medien. Warum ist die Aufmerksamkeit eines, zweifellos schrecklichen Unfalls, dabei weltweit so groß?
Bedauerlicherweise ereignen sich auch in Deutschland täglich tödliche Verkehrsunfälle, die aber selten bundesweit bekannt werden. Wo liegt der Grund, warum sich u.a. deutsche Medien auf einen Unfall in Texas stürzen?
Sogar Auswirkungen auf die Tesla-Aktie waren zu verzeichnen.

Was ist der Autopilot bei Tesla?

Die Bezeichnung „Autopilot“ für die Assistenzsysteme bei Tesla ist irreführend. Dies wurde auch bereits mehrmals bemängelt, wurde bisher aber von Tesla nicht geändert.
Klar ist aber auch,  wer einen Tesla und die zugehörigen Assistenzsysteme nutzt, weiss um die Möglichkeiten aber auch die Grenzen die dieses System bietet.

Unterscheiden muss man den „Standard-Autopiloten“ und die Funktion „Volles Potential für autonomes Fahren“ die beispielsweise beim Tesla Model 3 einen Aufpreis von ca. 7.500 Euro nach sich zieht. Diese Option kann allerdings auch zu jedem beliebigen Zeitpunkt durch o.g. Zahlung freigeschaltet werden. Sprich jedes Model 3 mit Hardware 3.0 (ab April 2019) hat die nötigen Kameras und Sensoren bereits an Bord.

Der Standard Autopilot ist, grob gesagt, ein Spurhalteassistent und ein Abstandstempomat mit Norbremsassistent, sowie eine Verkehrszeichen Erkennung und Berücksichtigung. Sowohl Spurhalteassistent als auch der Abstandstempomat funktionieren dabei recht zuverlässig. Die Verkehrszeichenerkennung hat noch viel Luft nach oben.
Mein Model 3 besitzt den o.g. Autopiloten. Er erleichtert längere Fahrten auf gut markierten Straßen enorm. Blind darauf verlassen kann man sich allerdings, wie bei allen Fahrzeugen, auf keinen Fall.

Der volle Autopilot bietet noch einige Funktionen mehr. Navigation mit Autopilot, Herbeirufen vom Parkplatz, Spurwechselassistent usw. Zuverlässiger als der Standard Autopilot ist er allerdings auch nicht.
Tesla bot vor kurzem eine 2 wöchige kostenlose Testphase mit den meisten Funktionen an. Für mich persönlich ergab dieser Test, den umfangreicheren Autopiloten brauche ich keinesfalls. Der Weg zum autonomen Fahren ist, zumindest innerhalb der EU, noch sehr weit.

Wer sich für die Funktionen im einzelnen interessiert, dem sei der Beitrag auf „Tesla Wissen“ ans Herz gelegt.

Fährt ein Tesla von selbst?

In der EU ganz sicher nicht. Dafür gibt es zu viele Unzuverlässigkeiten und eben auch Einschränkungen seitens der Gesetze innerhalb der EU (beispielsweise zugelassene Lenkwinkel).
Dazu vielleicht ein Erfahrungsbericht von meinen bisherigen 20.000 km im Tesla Model 3.

Nehmen wir als Beispiel eine Fahrt auf einer gut befahrenen Autobahn. Also, rauf auf die Bahn, beschleunigen auf meine Reisegeschwindigkeit von meist 120 bis 130 km/h. Autopilot (damit ist hier immer der Standard Autopilot gemeint) an. Quittiert mit einem kurzen Dingdong und signalisiert mit zwei blauen Strichen auf dem Zentraldisplay neben dem dargestellten Fahrzeug. Soweit so gut. Das Model 3 fährt zuverlässig in der Mitte der rechten Spur und hält ebenso zuverlässig die Geschwindigkeit bis das erste langsamere Fahrzeug auf der rechten Spur vor einem erscheint. In einem (einstellbaren) bestimmten Abstand fängt daraufhin der Tesla an sanft abzubremsen und hält daraufhin den Abstand ein. Bremst der Vordermann, bremst mein Tesla auch, im Zweifel bis zum Stillstand. Fährt der Vordermann von der Autobahn ab wiederholt sich das Spiel bis zum nächsten langsamen Fahrzeug.
Will ich überholen, schaltet sich der Spurhalteassistent aus und muss nach dem Spurwechsel wieder aktiviert werden (etwas nervig). Beim vollen Autopiloten schlägt er den Spurwechsel vor, dieser muss durch Betätigung des Blinkers bestätigt werden und nach einigen Gedenksekunden vollzieht er den Spurwechsel eigenständig.
Soweit so gut. Eine längere Autobahnfahrt ohne Eingriff des Fahrers ist quasi kaum möglich. Als Sicherheitsmechanismus wird u.a. überwacht ob man seine Hände am Lenkrad hat. Alle ca. 15 Sekunden wird man aufgefordert das Lenkrad leicht zu bewegen, sollte der Tesla keinen Widerstand am Lenkrad spüren.
Das System lässt sich austricksen, was allerdings gegen jegliche Vorschriften und Vorgaben von Tesla verstösst. In meinen Augen auch unverantwortlich, aber es gibt eben immer wieder Menschen die sich für den Darwin-Award qualifizieren wollen.

Ein Trick, Gewichte die man am Lenkrad befestigt und die dem Fahrzeug vorgaukeln dass ein Druck aufs Lenkrad ausgeübt wird. Man muss zusätzlich den Gurt des Fahrersitzes geschlossen haben damit sich der Autopilot aktivieren lässt. Öffnet man den Gurt, geht mit einem Warnton und Warnhinweis Konzert der Autopilot ebenfalls aus.

Ein zusätzliches Manko sind sporadisch auftretende sogenannte Phantombremsungen. Dabei erkennt der Notbremsassistent des Tesla vermeintliche Hindernisse. Manchmal kann man zuordnen warum er bremst (Licht/Schatten, wechselnder Fahrbahnbelag oder ähnliches), manchmal kommt das aber auch völlig überraschend. Man muss aber sagen, dass die Phantombremsungen mit den durchgeführten Updates bei Tesla weniger werden.

Alles ins allem würde ich sagen, fährt ein Tesla selbständig? Ja über kurze Strecken und mit Einschränkung, aber keinesfalls so, wie oft gesehen, dass man nebenbei ein Nickerchen halten könnte. Ausser man manipuliert alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen, oder man ist völlig allein auf der Autobahn.

Wie konnte es zu dem Unfall kommen?

Klären werden dies wohl im Endeffekt erst die polizeilichen Ermittlungen. Ob man auf Daten von Tesla dabei zurückgreifen kann ist fraglich. Zwar wurde bereits kurz nach dem Unfall von Seiten des Herstellers angegeben, dass der Autopilot zum Zeitpunkt des Unfalls deaktiviert war. Jedoch gibt es auch Berichte, dass in den Logdateien Bereiche, die definitiv mit Autopilot zurück gelegt wurden, nicht als solche gekennzeichnet waren.
Es ist nicht auszuschliessen, dass die Passagiere im Fahrzeug beim Unfall vom jeweiligen Sitz geschleudert wurden, falls diese nicht angeschnallt waren. Dafür spräche, dass offensichtlich das Lenkrad im Unfall-Tesla verformt war. Denkbar ebenso, dass die Türen des Fahrzeugs sich verklemmt hatten und die Insassen versucht haben sich über eine andere Tür zu retten, was ihnen leider nicht mehr gelungen ist.
Tragisch ist dieser Unfall (wie jeder schwere Unfall) zweifellos. Ob es gerechtfertigt ist, den Tesla Autopiloten als Unfallgrund anzuführen, mag jeder selbst entscheiden.

Ist die Kritik gerechtfertigt?

Ein klares Jein. Der Autopilot lässt sich mit diversen Maßnahmen austricksen. Dies erfordert jedoch in jedem Fall das bewusste manipulieren der Kontrollmechanismen. Sprich, derjenige der dies tut, macht dies in vollem Bewusstsein und in Absicht eben diesen Autopiloten missbräuchlich zu verwenden.
Eine ähnliche Kritik könnte lauten.

„Fahrzeughersteller … (nach belieben)“ verhindert nicht, dass man mit seinem Wagen mit 200 km/h über die Landstrasse oder durch ein Wohngebiet fahren kann. Es müssten Kontrollmechanismen eingebaut werden, die dies verhindern.

Oder: Auto mit Tempomat fährt mit voller Geschwindigkeit in Stauende. Fahrzeughersteller müsste dies verhindern.

Man kann Tesla vorwerfen, daß sie ihre Assistenzsysteme gerne als weiter entwickelt anpreisen, als sie es tatsächlich sind. Dies sollte man offener kommunizieren um Missverständnisse zu vermeiden. Tesla stellt aber im Gegenzug in den Handbüchern und in den Hinweisen im Fahrzeug selbst klar, dass die Verantwortung immer noch beim Fahrer liegt und es sich um Assistenzsysteme handelt.

Über die Gründe, warum jetzt dieser Unfall weltweites Aufsehen erregt, darf spekuliert werden. Tesla ist für viele ein rotes Tuch. Technisch in manchen Bereichen weit voraus, in anderen allerdings auch eher weniger.
Der Autopilot wird immer wieder so bezeichnet, als ob er in Kürze vollautonomes Fahren ermöglichen könnte. Da die Konkurrenz- Hersteller hier noch Nachholbedarf haben, werden solche Unfälle offensiv kommuniziert um zu zeigen, das Tesla auch nur mit Wasser kocht. Dies ist auch zweifellos richtig und ob Tesla mit den jetzigen Systemen jemals autonomes Fahren ermöglichen kann ist in meinen Augen sehr fraglich.
Mit ein Grund kann auch sein, daß viele sogenannte „Tesla Fanboys“ gerne und oft zeigen wollen wie fortschrittlich und überlegen ein Tesla ist.
Aufnahmen in den sozialen Medien, mit Gewicht am Tesla Lenkrad, lassen mich da schon auch manchmal am gesunden Menschenverstand zweifeln.

Mein persönliches Urteil: Wer mit Hirn Auto fährt und im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, sollte keine lebensgefährlichen Situationen durch den Autopiloten erleben. Bei Verwendung eines Fahrzeugs, muss ich mir stets des Risikos bewusst sein, dass von mir als Fahrzeuglenker ausgeht. (Geschwindigkeit, Abstand, Aufmerksamkeit, defensives Fahren usw.)
Der Aufschrei der wegen des Unfalls durch die Medien ging, erscheint mir in keiner Weise gerechtfertigt. 

Update Oktober 21

Neueste Erkenntnisse der Unfallermittler ergaben, der verunfallte Tesla war doch nicht fahrerlos unterwegs. Nachzulesen hier.

Wie üblich erfolgte die Richtigstellung der ursprünglichen Meldung nur in einigen wenigen Medien. Das ist einfach nicht Schlagzeilen würdig. Und so werden Mythen immer wieder befeuert.

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