Elektromobilität und Klimaschutz – die große Fehlkalkulation

so lautet der etwas reißerische Titel eines „Policy Brief“ des Herrn Prof. Dr. Dr. Ulrich Schmidt des ifw Kiel, dem Institut für Wirtschaftsforschung. Herr Professor Doktor Doktor Ulrich Schmidt will in diesem Dossier mehrere anderslautende Studien durch 3 rechnerische Formeln widerlegen.
Nun ich bin kein Akademiker, ich werde viele seiner Ausführungen nicht verstehen. Aber seltsamerweise verstehen das auch die Ersteller der von Herrn Professor Doktor Doktor Ulrich Schmidt kritisierten Studie nicht.
Das Frauenhofer Institut für System- und Innovationsforschung bemängelt das erstellte Dossier ziemlich deutlich. Es widerspreche bisherigen Forschungsstudien deutlich und sei handwerklich fraglich.
Nachzulesen unter diesem Link.

Herr Professor Doktor Doktor Ulrich Schmidt (ich weiß auch nicht warum ich das jedes mal ausschreibe, vermutlich weil ich von diesem akademischen Grad so beeindruckt bin…) hat inzwischen auch auf diese Kritik reagiert und sagt u.a. man müsse mehr Forschung in Hinblick auf Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe betreiben. Puh. Ehrlich gesagt macht mich das beinahe sprachlos. Sollte es wirklich so sein, dass Herr Professor Doktor Doktor Ulrich Schmidt (schon wieder ausgeschrieben) der einzige Akademiker ist, der eine Lösung hat, wie man Wasserstoff mit weniger Strom herstellen kann, als man benötigt um ihn in einem Elektroauto direkt zu verfahren? Potz Blitz!!!

Auch wenn ich ihn nicht verstehe, ich hab ihm einen offenen Brief geschrieben in dem ich meine bescheidenen Ansichten mitteile. Ganz einfach, weil mir sonst der Kragen platzt wenn ich sehe, wie die Medien dieses Dossier munter verbreiten.

Offener Brief an Herrn Prof. Dr. Dr. Ulrich Schmidt

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Dr. Schmidt,

mit Interesse habe ich ihren „Policy Brief“ zur Elektromobilität und Klimaschutz gelesen. Ihr Fazit dabei hinterlässt dabei jedoch viele Fragezeichen. Eine große Fehlkalkulation? Die Frage ist nur von wem.

Sie wollen mit ihrem Dossier großangelegte Studien mit 3 Formeln widerlegen. Sie gehen dabei vom Status Quo aus. Berücksichtigen leider aber grundlegende Tatsachen gar nicht bzw. stellen sie nicht dar.
Es fehlen die von ihnen zugrunde gelegten Daten und Fakten bezüglich der Emissionen. Sie erwähnen den erhöhten Energieverbrauch zur Herstellung eines Elektroautos, teilen dem geneigten Leser aber weder einen Prozentwert noch eine absolute Zahl mit. Wieviel Energie wird zur Herstellung eines Verbrenners inklusive seiner mehr als 2000 Bauteile benötigt. Wie ist die Energiebilanz von Benzin und Diesel von der Quelle bis zum Tank. Wieviel Energie (Strom) fällt weg, wenn ich Treibstoff nicht mehr herstellen muss? Haben Sie dies in ihren Formeln berücksichtigt? Ich finde darüber leider keine Silbe in ihrer, sehr kompakt, verfassten Veröffentlichung. Gleichwohl kommen sie zu dem Schluss, daß man aktuell davon ausgehen muss, dass Elektroautos mit 100 Prozent fossilem Strom betankt werden.

Ein Verbrenner wird in jedem Fall ausschließlich mit fossiler Energie angetrieben. Unabhängig davon zu welcher Tageszeit er betrieben wird. Er ist immer gleich schmutzig. Mehr als zwei Drittel seiner Energie verwendet er zur Wärmeerzeugung, der klägliche Rest verbleibt für den Vortrieb. Wohlgemerkt auch bei einem hochmodernen Verbrenner. Ist es nicht Zeit diese überholte Technik so langsam an den Nagel zu hängen? Aber dies ist nicht Gegenstand ihrer Ausarbeitung. Zumindest sollten sie jedoch jeden gesparten Kilometer mit Verbrennungsmotor in ihre Berechnungen einbeziehen. Oder gehen Sie davon aus, dass Elektroautos zusätzlich betrieben werden. Also keinen Verbrenner ersetzen. Leider dazu keine Aussage in ihrer, ja wie soll ich sagen, Niederschrift.

Nach ihrer Sichtweise würde der gesamte erzeugte regenerative Strom zur Reduktion der Kohleverstromung führen. Ich vermisse dabei jedoch eine Aussage, wieso wir bereits jetzt, große Mengen des regenerativ erzeugten Stroms an sonnigen und windigen Tagen verschenken bzw. sogar unter Bezahlung abgeben müssen. Die Kohlekraftwerke sind relativ träge und lassen sich nicht täglich aufs neue herunterfahren. Es ist im Gegenteil sogar so, dass die Braunkohlekraftwerke weiter auf Volllast laufen um möglichst viel günstigen Kohlestrom im Netz zu haben. Völlig unabhängig davon wieviel regenerativer Strom verfügbar wäre. Wie haben Sie diese Tatsache in ihren 3 Formeln berücksichtigt. Was ändert sich bei einer noch höheren regenerativen Strommenge im Netz.

Vielleicht sagt ihnen das Stichwort Smart Grid etwas? Sicher sagt Ihnen das was. Wieso haben Sie dies in ihrem „Policy Brief“ nicht erwähnt. Ein großer Punkt, um zukünftig die Energiewende zu schaffen ist, genau, ein intelligentes Stromnetz. Sie vergessen zu berücksichtigen, das es auch bei der Stromerzeugung, Speicherung und Verteilung Fortschritte gibt. Die Elektromobilität kann durch intelligent gesteuerte Ladevorgänge helfen die Energiewende zu beschleunigen. Leider wird dies allerdings von den großen Stromkonzernen und Netzbetreibern noch verhindert. Seit geraumer Zeit sollten in jedem Haushalt intelligente Stromzähler Standard sein. In unserer Region hat die überwiegende Mehrheit noch die alten Ferraris Zähler im Hause. Die sind in etwa so fortschrittlich wie ein „moderner“ Verbrennungsmotor.

Vehicle to Grid dürfte ebenfalls ein Begriff sein? Ein weiterer Baustein, der ja erst durch die Elektromobilität möglich wird, um die Energiewende zu schaffen. In Strom-Überschusszeiten kann ich den Akku des Elektroautos als Puffer nutzen und kann so in Zeiten ohne regenerativ erzeugtem Strom diesen wieder ins Netz abgeben. Wie können Verbrenner zur Energiewende beitragen?

Kurzum, sie erklären in ihrem Dossier, dass Elektromobilität für den Klimaschutz keinerlei Vorteile bringt, ja sogar Nachteile. Weil sie davon ausgehen, dass Elektroautos ausschließlich mit Kohlestrom geladen werden, auch wenn sie an der heimischen PV-Anlage hängen (diese sollen ihre privat erworbene Anlage der Allgemeinheit zur Verfügung stellen und bitte keinen Eigenverbrauch nutzen, Energieversorger pochen darauf). Auch wenn sie an einer öffentlichen Ladesäule geladen werden, die bilanziert mit 100 Prozent Ökostrom versorgt werden muss. Auch wenn 90 Prozent der Elektroautofahrer in ihrem Haus einen Ökostromvertrag haben und dadurch den Ausbau der erneuerbaren Energien voranbringen. Der „Stromsee“ wird also mit jedem Elektroauto mit etwas mehr regenerativem Strom gefüllt und reduziert den Kohlestromanteil.

Sie vergessen, dass nicht der mangelnde regenerative Stromanteil uns daran hindert aus der Kohle auszusteigen. Vielmehr sind es politische und soziale Gründe, die dies verhindern. Das Elektroauto mit seinem, bei vollständiger Umstellung, bis zu 20 Prozent erhöhten Strombedarf trägt daran sicher keine Schuld. Gut abgesehen von ihren Formeln, da sieht es anders aus.

Fazit

Ich erwarte von einem Professor, der eine Anstellung an einer Anstalt des öffentlichen Rechts hat, eine vorwärtsgerichtete Denkweise und kein Festhalten an alten, längst überholten Techniken. Es überrascht nicht, dass wir in unserem Land leider den Klimaschutz nicht voranbringen, wenn nur gesagt wird was alles nicht geht.

Wo sind ihre Lösungsansätze? Wäre es nicht sinnvoller diese zu publizieren? Ihre Ausführungen sind mehr eine persönliche Meinung mit einem mehr als fragwürdigen Fazit. Was ist mit der Möglichkeit Gebäude umweltfreundlich mit Wärmepumpen zu beheizen. Funktionieren aber mit Strom, erhöhen den Stromverbrauch und werden nach ihrer Sicht mit reinem Kohlestrom betrieben. Besser weiter die Ölheizung? Jedes zusätzlich angeschaffte Elektrogerät, jede neue Industrie, alles was in Zukunft den Stromverbrauch erhöht wird nach ihren Berechnungen mit Kohlestrom betrieben, weil ja zusätzlicher Strombedarf entsteht. Aber wo fließt denn der regenerative Strom hin? Oder kann man dem Strom möglicherweise gar nicht sagen welchen Verbraucher er bitteschön bedienen soll? Dann wäre es ja wiederum so, dass auch ein Elektroauto nicht mit 100 Prozent Kohelstrom, sondern mit dem deutschen Strommix versorgt wird.

Mir wird ehrlich gesagt Angst und bange, wenn ich sehe, und lese, wie an unseren Forschungsinstituten gearbeitet wird. Studien werden vermeintlich zerlegt, mit drei DIN A 4 Seiten. Und mit handwerklichen Fehlern, die man doch so niemals veröffentlichen dürfte. Von den Medien wird ihre Veröffentlichung natürlich gerne verbreitet, sie passt ins Konzept.
Wenn das Ziel eine CO2 Reduzierung im Verkehrssektor sein soll, wie wollen sie das mit Verbrennungsmotoren erreichen. Wasserstoff kann nicht wirklich ernst gemeint sein. Dafür bräuchten wir ja dreimal mehr Kohlestrom als wenn ich den Strom über Batterien direkt verwende. Synthetische Kraftstoffe wollen wir dann vermutlich wieder importieren. In Deutschland fehlt die Fläche für den Anbau der Rohstoffe.

Ihr Lösungsansatz Wasserstoff?

Uns geht uns so ganz langsam die Zeit aus, um weiter an Wasserstoff im Verkehrssektor zu forschen. Es muss jetzt zügig eine Energie- und Verkehrswende umgesetzt werden. Aber das wissen Sie ja selbst. Hoffentlich. PKW mit Wasserstoff zu betreiben ist keine Lösung. LKW sicherlich. Wasserstoff als Pufferspeicher für regenerativen Strom. Dahin sollte doch ein Dossier abzielen. Den Menschen zu zeigen wo die Reise hin geht, hin gehen muss. Man kann an eine Thematik Lösungsorientiert oder Problemorientiert herangehen. Leider haben Sie sich für Zweiteres entschieden.

Das sich in diesem offenen Brief nicht auf Einzelheiten, Zahlen und Fakten eingehe mögen Sie mir verzeihen, aber dies haben Sie in ihrem Dossier ja ebenfalls nicht gemacht.

Mit freundlichen Grüßen
Heinz Hofrichter

1 Kommentar
  1. Siggi der Pragmatiker
    Siggi der Pragmatiker sagte:

    Werter Herr Hofrichter,

    ich vermag die Seriosität der nachfolgenden Quelle nicht zu beurteilen. Aber selbst wenn sie 100% fehlerbehaftet wäre, der Anteil Deutschlands am CO²-Ausstoß mithin 3,7% betragen würde, wären unsere Einsparbemühungen -gemessen an den weltweiten Erfordernissen – geradezu als lächerlich bzw. vernachlässigbar zu bewerten.

    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/179260/umfrage/die-zehn-groessten-c02-emittenten-weltweit/

    Die Menschheit (und nicht nur vernachlässigbare 84 Millionen Deutsche) wird sich, ob sie das mag oder nicht, an veränderte Klimabedingungen anzupassen haben. Viele Wohnorte in Deutschland lagen vor etlichen Millionen Jahren auf dem Grunde eines Meeres und die Bewohner von Küstenstädten wie New York, Palermo, Barcelona, Rio de Janeiro (und unzählige andere) werden sich (zugegebenermaßen die jetzigen nicht, aber künftige Generationen, auf jeden Fall) darauf einstellen müssen, dass diese Orte, bei allem technischen Fortschritt, irgendwann nicht mehr bewohnbar sein werden (Funfact: Es gibt sie immer noch – die Kontinentaldrift). Wir werden uns auch – sogar ganz ohne unseren menschlichen Beitrag – auf starke (für die Menschheit vllt. extreme) Temperaturschwankungen einzustellen haben (wie war das doch mit Grönland = Grünland????). Es ist m.E. blauäugig anzunehmen man könne durch regionale Anstrengungen eine Katastrophe abwenden die uneingeschränktes weltweites Agieren erfordert (und selbst dann zur teilweise Erfolg zeigen würde).

    Der Mensch neigt bedauerlicherweise dazu, krampfhaft am Status quo festhalten zu wollen. Selbiges mag in der eigenen Autonomie unterliegenden Teilbereichen (Grundbesitz, Ersparnisse, Familienstand, Gesundheit) realisierbar sein, nicht indes wenn es um globale Einflüsse geht.

    Um Missverständnissen vorzubeugen; ich bewundere das Engagement von Ihnen und vielen anderen Umweltaktivisten (welch sinnfreies Wort, als wäre der Mensch der Mittelpunkt und die Welt um ihn herum „Um“welt. Wir zweibeinigen Parasiten leben – als temporäre Gäste – auf der Erde), halte es gleichwohl, schon im Hinblick auf die o.a. Emittentenliste, für einen Kampf gegen Windmühlen.

    Beste Grüße nach Wörth/Donau

    S.R.

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