Ionity Ladesäule

Das Ionity Joint Venture

Ionity bietet ein annähernd flächendeckendes Schnellladenetz, mit mehreren Ladesäulen je Standort, entlang der Hauptverkehrsrouten. Die Ionity GmbH mit Sitz in München ist ein Joint Venture zu dem die BMW Group, Daimler AG, Ford Motorcompany, der Volkswagen Konzern und die Hyundai Motor Group gehören. Also einige, überwiegend deutsche, durchaus umsatzstarke Automobilhersteller. Man kann sagen, die zusammengeschlossenen Automobilhersteller wollen ein ähnlich leistungsstarkes und flächendeckendes Netz an HPC-Chargern aufbauen, wie dies Tesla mit seinen Superchargern bereits geschafft hat.

Zum 01.02.2020 änderte die Ionity GmbH ihr Preismodell. Die Preisanpassung führte zu großem Unverständnis bei vielen Elektroautofahrern. Das Medienecho ließ ebenfalls nicht lange auf sich warten. Diese Preisumstellung kommt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Das Jahr 2020, ist das Jahr, in dem eine Vielzahl neuer Elektroautos auf dem Markt kommen wird.
Bei der Preiserhöhung geht es um den Symbolwert, es geht um die Entwicklung der Elektromobilität in Deutschland und es geht vor allem um die deutschen Automobilhersteller. Es kann sein, das dies ein weiterer Baustein zum Niedergang der deutschen Automobilindustrie sein wird.

Aber es sind doch nur 79 Cent je kWh. Nein, es ist soviel mehr. Es zeigt mehr als deutlich, das es meiner Meinung nach, nur einen einzigen Hersteller von Elektroautos gibt, der den Technologiewandel verstanden hat und konsequent umsetzt. Und daran müssen sich alle anderen messen lassen. Und sie scheitern bis dato. Lieferschwierigkeiten bei Batterien, zu hohe Verbräuche, Softwareprobleme, hohe Preise und nun Probleme eine bezahlbare Ladeinfrastruktur aufzubauen.

79 Cent/kWh mit Symbolwirkung

Was sind schon 79 Cent? Eine medienwirksame Katastrophe, ein Bärendienst für die Elektromobilität. Ein Offenbarungseid was Kommunikation und Strategie betrifft. Selbstbewusst von Ionity kommuniziert, mit einem „Shit-Storm“ als Ergebnis.

In der Pressemitteilung wird umfangreich auf die neuen Ladesäulen Bezug genommen. Welch tolles Usererlebnis man damit hat. Designtechnisch, mit HALO-Ring, ein Wow-Effekt.
Man legt auch Wert auf Nachhaltigkeit und bezieht ausschließlich Ökostrom für die Ladesäulen. Wie alle anderen Ladestromanbieter in Deutschland, per Gesetz, ebenfalls. Kein Alleinstellungsmerkmal. Aber natürlich sind wir alle während unserer Verbrennerzeit auch am liebsten zu den Tankstellen gefahren, welche die schönsten Zapfäulen haben und waren bereit, dort gern auch einmal mehr als das doppelte zu bezahlen. Schließlich tankt es sich dort so schön.
Ich weiß nicht, wer bei Ionity für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, zumindest haben die Personen da Sinn für Humor.

Bei Ionity betont man, das viele ja die Möglichkeit haben, über ihren Autohersteller Abomodelle mit dann günstigeren Tarifen abzuschließen. Bei meinem Hyundai, Partner von Ionity, habe ich keinen Vorteil oder ein Abomodell. Nur das herkömmliche Modell von EnBW, das alle abschließen können. Auf eine Antwort von Hyundai warte ich noch, werde ich aber in einem Update hier mitteilen.

Das 79 Cent Preismodell käme nur für Adhoc-Lader in Frage, so Ionity. Also Kunden ohne jeglichen Vertrag. Diesen Kunden müssen sie, gesetzlich vorgeschrieben, eine Lademöglichkeit anbieten. Schließlich hat man sich den Aufbau der Ladeinfrastruktur zu gut 20 Prozent vom Steuerzahler Co-finanzieren lassen und muss sich bestimmten Regularien unterwerfen. Kurzum es betrifft ja sowieso kaum jemanden, so der Tenor von Ionity. Zudem, wie oft lädt man schon auf Langstrecke, da kann man schon mal einen Expresszuschlag zahlen.

Ladestromtarife der Hersteller

Gehen sie einmal zu einem Autohändler der Marken, welche zum Joint-Venture von Ionity gehören und fragen sie nach einem Ladestromtarif für Ionity. Wenn sie nicht großes Glück haben, ernten sie nur einen verstörten Blick.

Mit Blick auf den beschleunigten Hochlauf der Elektromobilität bieten wir mit der Preisumstellung eine marktadäquate und transparente Preisstruktur in Europa. Je nach den individuellen Bedürfnissen, können unsere Kunden ein passendes Preismodell für sich aussuchen.

So wortwörtlich der Pressemitteilung von Ionity entnommen. Beschleunigter Markthochlauf, davor hat man offensichtlich Angst und will dies mit aller Macht bremsen. Anders kann man sich die Preisgestaltung und Kommunikation nicht erklären.
Die Kunden können sich ein individuell passendes Preismodell aussuchen. Sehr schön. Bisher hat mich kein Autohändler je darauf hingewiesen. Man findet auch auf den ersten Blick nichts bei den Internetauftritten der Hersteller. Volkwagen bietet das Modell We Charge. Erstmal ohne Preisangabe, sehr werbewirksam. BMW bietet den Service Charge Now. Zum genauen Tarif verweist man im Preisblatt auf die App. Diese wird sich sicherlich jeder Interessent sofort herunterladen und installieren. Bei Ford finde ich auf die Schnelle gar keinen Ladetarif. Mercedes kommuniziert die 29 Cent auf seiner Homepage im Kleingedruckten zum me Charge. Hyundai leitet nur auf die Seite von EnBW weiter.

Zusammenfassend kann man sagen, das die Ladestromtarife und insbesondere die „günstigen“ Abomodelle an Ionity Säulen nur schwer herauszufinden sind. Zumindest alles andere als werbewirksam. Ganz anders jedoch die offensiv kommunizierten 79 Cent. Wäre es nicht sinnvoller, erst die vergünstigten Tarife anzubieten und dann für Fremdkunden einen höheren Tarif bekannt zu geben?

Hochlauf der Elektromobilität

Wenn man sich die obigen Ausführungen ansieht, was wird wohl passieren. Das zarte Pflänzchen Elektromobilität wird zertrampelt, bildlich gesprochen. Es gibt ja durchaus Interesse an Elektroautos. Allerdings überwiegt momentan die Skepsis gegenüber E-Autos deutlich. Es wird sehr viel hinterfragt und generell sind viele Interessenten schlecht informiert. Schon gar nicht von den Autohändlern. Was passiert also nach dem 79 Cent Desaster? Viele, wenn nicht sogar die meisten, werden sich kopfschüttelnd abwenden und weiter Verbrenner kaufen. Wer kommt als Neueinsteiger in die Elektromobilität auf die Idee und lädt sich Apps herunter oder durchstöbert die Seiten der Autohersteller nach Bonus-Ladestromtarifen. Was hängen bleibt ist der doppelt so hohe Preis an den Ladesäulen gegenüber einem Benziner oder Diesel, bereitwillig veröffentlicht von allen kritischen Medien, die diese Vorurteile gern noch weiter befeuer.
Sollte sich trotzdem noch ein Kunde ins Autohaus wagen, wird er dort meistens milde lächelnd auf einen Plugin-Hybriden umgestimmt. Das mit den Elektroautos, das dauert noch. Oft selbst erlebt.
Ne, das dauert eben nicht, ernsthafte Interessenten finden momentan genau einen Hersteller, der ihnen ein Elektroauto und das ganze System drumrum liefert, Tesla. Mit allen Nachteilen. Aber auch vielen Vorteilen.

Was hat man sich bei Ionity gedacht? Gibt es keine Zusammenarbeit mit den Automobilherstellern, den eigentlichen Eignern? Wie kann man ein derartiges PR-Desaster zulassen? Sind unsere Hersteller und damit Ionity wirklich bereits mit dem Aufbau der Ladeinfrastruktur überfordert?

In einem Interview wurde dann nebenbei noch erwähnt, das selbst diese 79 Cent je kWh bei weitem nicht kostendeckend wären. Dies ist sozusagen bereits die Ankündigung weiterer Preiserhöhungen. In dem Fall muss man dann allerdings sagen, wenn das so ist, dann sparen wir uns weitere
Fördermittel, denn dann ist das Unternehmen Elektromobilität aus deutscher Hand zum Scheitern verurteilt und es wäre fatal noch weitere Millionen zu verbraten.

Die CO2 Flottenziele

Alle Hersteller in der EU werden ab diesem Jahr mit den CO2 Flottenzielen gemessen. Dazu ist es dringend erforderlich, wenn nicht unerlässlich, Elektrofahrzeuge zu verkaufen und zuzulassen.
Bei vielen setzt man in erster Linie auf Plugin-Hybride. Allerdings zählen Elektroautos bisher noch doppelt und wären, in Anbetracht der weiter verkauften Verbrenner, erheblich interessanter.

Verfügbar sind allerdings noch kaum Fahrzeuge, vor allem der deutschen Hersteller. Die Modelloffensive soll zwar dieses Jahr kommen. Fraglich ist, ob in benötigter Stückzahl geliefert werden kann.

Das Ergebnis wird wohl sein, dass man das Flottenziel für 2020 nicht erfüllen kann, Strafzahlungen anfallen. Diese Erkenntniss wird sich wohl so gegen Ende 2020 herauskristallisieren. Der Ruf nach Erleichterungen durch die EU, bzw. nach Hilfen durch den Steuerzahler wird durch die Medien geistern. Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Ein ganzer Industriezweig vor dem Niedergang.
Die Hilfe des Steuerzahlers wird immer gern genommen, auch zum Aufbau der Ladeinfrastruktur.
Und dabei sind viele der Probleme hausgemacht. Managementfehler, oder wie jetzt bei Ionity, Marketingfehler. Eigentlich für den Außenstehenden unbegreiflich. Man könnte fast vermuten, man will das Thema Elektromobilität mit Vorsatz gegen die Wand fahren.

Die Tesla Supercharger

Europaweit bietet Tesla mit seinen Superchargern ein flächendeckendes Netz mit teilweise mehr als 15 Ladesäulen pro Standort an. Tesla hat zum Aufbau dieses Ladenetzwerks keine Fördermittel der EU oder des Bundes erhalten. Die kWh kostet, sofern man kein Modell mit freiem Superchargen hat, in Deutschland 33 Cent. Die Supercharger zeichnen sich durch unkomplizierte und sehr zuverlässige Ladevorgänge aus. Es gibt an den „formschönen“ Ladesäulen keinerlei Display, einstecken und lädt. Rechnung kommt ganz automatisch, ohne Freischaltung.

An diesem Ladenetzwerk muss sich die Konkurrenz messen lassen. Ionity ist vermutlich der ehrgeizigste Verfolger. Alle von Ionity angeführten Vorteile, die nach Meinung von Ionity den Preisaufschlag gerechtfertigen, hat so oder so ähnlich auch Tesla. Gern wird damit argumentiert, das Tesla das Supercharger-Netzwerk durch den Verkauf der Auots querfinanziert. Das ist wohl so. Irgendwo muss das Geld ja herkommen.
Sind die Fahrzeuge der deutschen Hersteller also jetzt erheblich billiger als ein Tesla? Keineswegs. Vergleicht man die in etwa entsprechenden Modelle kann man keinen Nachteil bei Tesla deswegen erkennen. Im Hinterkopf darf man dann einmal durchrechnen wieviel Fahrzeuge Tesla verkauft und was alleine Volkswagen an Fahrzeugen umsetzt.

Im Klartext, Tesla, ein Startup-Unternehmen, zeigt unseren etablierten Herstellern wie sowas funktionieren kann. Man konnte nach den Ankündigungen des VW Vorstands, Herrn Diess, ja meinen, Volkswagen hätte die Zeichen der Zeit erkannt und geht jetzt mit aller Macht daran Tesla wieder einzuholen. Aber was passiert da grade? Das eigene Ladenetzwerk wird mit einer unterirdisch schlechten Marketingaktion selbst sabotiert. Tesla wird vor Freude wohl einen Luftsprung machen.
Es gibt nicht wenige, die sich vielleicht schon länger mit den Gedanken tragen ein neues Elektroauto zu kaufen. Viele warten gespannt auf den ID3. Aber mit solchen Aktionen verbaue ich mir doch ein riesiges Marktpotential. Der ID3 wird sich wohl trotzdem verkaufen, aber bei den Preisen des Fahrzeugs kann man durchaus überlegen auch Tesla in Erwägung zu ziehen. Zumindest bei der dieses Jahr noch lieferbaren First Edition des ID3. Würde ich momentan ein deutsches Elektroauto empfehlen? Kommt drauf an. Auch Tesla ist nicht fehlerfrei. Bei weitem nicht. Aber es bietet das bessere Gesamtpaket.

Fazit

Die unüberlegte Preisstrategie des Ionity Joint Ventures kann der deutschen Automobilindustrie teuer zu stehen kommen. Von Boykott Aufrufen aus der Elektroauto Community, die sehr stark vernetzt ist, bis zum katastrophalen Medienecho. Der Hochlauf der Elektromobilität wird eingebremst, wenn nicht sogar zum Erliegen gebracht. Die Verzögerungstaktik bei der erhöhten Elektroautoförderung ist ein weiterer Punkt der aktuell das Neuwagengeschäft mit Elektroautos stocken lässt.

Viele sogenannte Early Adopter, die bereits Elektroauto fahren werden den Weg zu Tesla gehen. Ein Verbrenner kommt für die meisten nicht mehr in Frage. Und von vielen hört man, das nächste Fahrzeug wird ein Tesla. Das kommende Model Y ist heiß begehrt.

Es ist deprimierend mit anzusehen wie sich die deutsche Autoindustrie immer weiter ins Abseits manövriert. Vielleicht sehe ich aber einfach nur zu schwarz, es wird sich zeigen.

Hilfreich für die Elektromobilität war diese Aktion nicht.

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